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7. Demokratiekonferenz des WABE-Netzwerks in Nienburg

Good-Practice-Projekte ausgezeichnet

Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit: Mit diesem Statement eröffnete Kathrin Woltert, Kreisrätin und Dezernentin beim Landkreis Nienburg am gestrigen Donnerstag die 7. Demokratiekonferenz des Weser-Aller-Bündnis: Engagiert für Demokratie & Zivilcourage (WABE) der Landkreise bzw. Städte Nienburg und Verden.

Der Einladung in die Aula der Berufsbildenden Schulen Nienburg folgten mehr als 40 Personen, um sich über die vielfältige politische Bildungsarbeit des WABE-Netzwerks zu informieren und in drei Workshops zu den Themen Antisemitismus im Fußball, Hasssprache im Netz sowie Rechtsextreme in Freien Schulen über Herausforderungen der demokratischen Gesellschaft auszutauschen. Das Grußwort für den Landkreis Verden übermittelte die stellvertretende Landrätin Karin Labinsky-Meyer, die an die rechtsterroristischen Gewalttaten der jüngeren Vergangenheit erinnerte und die Alternativlosigkeit von Zivilcourage betonte.

Ruben Obenhaus, Leiter der Mobilen Beratung Niedersachsen gegen Rechtsextremismus für Demokratie, berichtete über aktuelle rechtsextreme Entwicklungen im Bundesland. Neben völkischen Siedlerfamilien im ländlichen Raum, neonazistischen Aktivitäten in Eschede und Braunschweig, mutmaßlich von Rechtsextremen verübte Brandanschläge auf Restaurants im Bremer Umland stellen der Antisemitismus und Rassismus von Reichsbürgern und anderen Verschwörungsideologen unter dem Eindruck der Pandemie eine wachsende Bedrohung dar. Anlass zur Sorge bereitet die Entwicklung um rechtsextreme Lehrer*innen an Freien Schulen - ein Thema, das die Fachjournalistin Andrea Röpke in einem der Workshops vertiefte.

Einen Rückblick und Ausblick der Arbeit des WABE-Netzwerks bot Rudi Klemm, Leiter der Koordinierungs- und Fachstelle. Trotz Corona konnte die Mehrzahl der 32 beantragten Projekte in 2020 umgesetzt werden, zum Teil entstanden auch neue pandemiegerechte Veranstaltungsformate. Zu den aktuellen Herausforderungen zählte Klemm die Aktionen der neonazistischen Bruderschaft Nordic 12, die kürzlich in Verden in martialischen Posen auftrat, regelmäßige Aktivitäten der Identitären Bewegung im Landkreis Verden, LGBTIQ-feindliche Aktivitäten in Nienburg, aber auch eine Initiative zur Schulgründung aus christlich fundamentalistischen Kreisen. Wachsamkeit und Sensibilisierung, auch im Austausch mit Multiplikatoren in der Verwaltung und den Sicherheitsbehörden, sei ein wichtiger Ansatz, um demokratiefeindlichen Entwicklungen zu begegnen.

Höhepunkt der Veranstaltung, durch die Ilaria Massari von der Stadt Verden moderierte, war die Vorstellung und Prämierung der Good-Practice Projekte des Jahres 2020. Im Rahmen der „Partnerschaft für Demokratie“ fördert WABE Projekte, die Kompetenzen zur Förderung demokratischer Diskurse vermitteln bzw. demokratisches Engagement gegen Neofaschismus, Rechtspopulismus, Rassismus und andere Formen Gruppen bezogener Menschenfeindlichkeit auf kommunaler Ebene stärken.

Den ersten Platz als Good-Practice-Projekt erhielt der Konzertfilm CATO 100 der Kirchengemeinde Fischerhude, den stellvertretend Marlies Meyer, Gleichstellungsbeauftragte im Flecken Ottersberg entgegennahm. Der Film widmet sich dem Gedenken an die von den Nationalsozialisten ermordete Fischerhuder Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek.

Die Veranstaltung Unsere Felder sind bunt des Vereins Forum Zukunft aus Dörverden thematisierte im Rahmen eines Vortrags des Journalisten Andreas Speit die Gefahr der Unterwandung der ökologischen Landwirtschaft durch völkische Rechtsextreme, die ihrer Blut- und Bodenideologie folgend auch in Niedersachsen siedeln.

Erstmalig in der Geschichte des Netzwerks wurden zwei Projekte des Jugendaktionsfonds ausgezeichnet. Das WABE-Netzwerk stellt in Kooperation mit dem Kreisjugendring Nienburg e.V. jungen Menschen aus den Landkreisen Nienburg und Verden Mittel zur Verfügung, um Projekte und Aktionen zu finanzieren, die Demokratie und Zivilcourage fördern. Den ersten Platz als Good-Practice-Projekt erhielt das Graffiti-Projekt des Jugendtreffs Heemsen. Zur Illustration ihrer Aktion haben die Jugendlichen extra einen Film angefertigt, der die Entstehung des Graffitos, aber auch das Prozedere der Antragsstellung, welches die jungen Menschen selbstständig durchliefen, anschaulich darstellte.

Platz zwei als Good-Practice-Jugendprojekt erhielt der Nachhaltige Lautsprecher-Wagen der Fridays for Future-Ortsgruppe Verden. Moe Geweke und Jannis Klee gaben Auskunft über die Entstehung des Wagens, für den ausschließlich gebrauchte Geräte verbaut wurden. Als „Verstärker“ ihrer Botschaften wird der Lautsprecher-Wagen auf Klimaschutz-Demonstrationen eingesetzt, wie am vergangenen Freitag bei der Fahrrad-Demo in Verden, aber auch anderen für die Demokratie engagierten Jugendgruppen zur Verfügung gestellt.

Die Pause konnten die Teilnehmenden nutzen, um die Wanderausstellung „Sara sei dein Name“ über Antisemitismus in Verden zu betrachten und mit Wencke Hinz vom Verdener Stadtarchiv, das die Ausstellung kuratiert, ins Gespräch zu kommen.

Im abschließenden Plenum wurden die Erkenntnisse aus den einzelnen Workshops zusammengetragen. Dabei wurde deutlich, dass eine kontinuierliche Aufklärung und Bildung, die Vernetzung aller Akteure und eine nicht zuletzt finanziell nachhaltige Ausstattung der Initiativen erforderlich ist, um die Ziele des Netzwerks zur Stärkung der demokratischen Gesellschaft zu erreichen.

Musikalischer Abschluss der Konferenz war ein jiddisches Lied aus den 20er-Jahren, welches das Duo Trio Loco, bestehend aus Karin Christoph und Reinhard Röhrs, der kürzlich verstorbenen Auschwitz-Überlebenden Esther Bejarano widmete, die einst sagte: „Es reicht nicht, dass du denkst, dass du Gutes tust. Du musst andere dazu bringen, Gutes zu tun“.

Über die Demokratiekonferenz

Das Weser-Aller-Bündnis: Engagiert für Demokratie & Zivilcourage (WABE) wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben“ für die überörtliche Projektarbeit im Rahmen der „Partnerschaft für Demokratie“. Die Bundesförderung ist verknüpft mit einer jährlichen Demokratiekonferenz, um die aktuellen Herausforderungen in diesem Themenfeld zu diskutieren.

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